Das ist die gleiche "Logik", wie beispielsweise die einer Armee,
welche ein ganzes Dorf zerstört und seine Einwohner ermordet, weil
Partisanen aus dem Dorf Hinterhalte gegen die Armee gelegt hatten. Und
es widerspricht jener Behauptung des israelischen Militärs und auch des
Artikelschreibers von haGalil, dass die israelische Armee nichts
bombardiert, wo sich Zivilisten aufhalten.
„Oberst
Lerner, haben Sie es auf unschuldige Zivilisten abgesehen oder ist es
Inkompetenz?“ fragt die Interviewerin mit einem Gesicht, das eine
offenbar nur für Israelis reservierte Geringschätzung zeigt.
Immerhin
fragt die Journalistin noch, anstatt einfach nur zu behaupten! Und die
Interpretation von Gesichtsausdrücken ist sehr subjektiv, gehört darum
eigentlich nicht in seriöse journalistische Artikel, allenfalls in die
persönichen Texte von Privat-Bloggern.
Würde
sie mit einer solch groben Respektlosigkeit gegenüber einem
amerikanischen oder britischen Offizier auftreten, wären die Zuschauer
verstimmt. Und benähme sie sich gegenüber einem arabischen Kommandeur
auf diese Weise, müsste sie mit Anschuldigungen von Rassismus rechnen.
Provozierende
Fragen nach immerhin tödlichen Angriffen sind keine Respektlosigkeit,
sondern journalistische Pflicht. Abgesehen davon, dass ich nicht glaube,
dass nicht-jüdische Militärs mit journalistischen Samthandschuhen
angefasst werden - man denke nur an den jüngsten Fall eines Oberst Klein
in Deutschland, der die Bombardierung eines Tanklasters in Afghanistan
befohlen hatte, mit über 100 toten Zivilisten, und der sogar von einigen
deutschen Medien kritisch angegangen wurde - also abgesehen davon,
erscheint diese Empfindlichkeit und der Vergleich mit arabischen
Miltiärs deplatziert, angesichts der Tatsache, dass Juden und Israelis
gerne betonen, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei;
aber Demokratien zeichnen sich eigentlich durch eine grössere Toleranz
gegenüber kritischen Medien aus.
Die
Wahrheit sieht jedoch ganz anders aus. Die IDF hat die umfassendsten und
intelligentesten Maßnahmen entwickelt, um zivile Opfer während
Angriffen auf zulässige militärische Ziele gering zu halten.
Vor
jedem Luftangriff ist es vorgeschrieben, multi-sensorische
Informations- und Überwachungssysteme, die die An- oder Abwesenheit von
Zivilisten bestätigen, einzusetzen. SMS, Telefonanrufe und
Radiobotschaften in Arabisch rufen zum Verlassen des anvisierten Zieles
auf. Flugblätter, die aus der Luft abgeworfen werden, beinhalten
Landkarten, die sichere Gebiete aufzeigen. Wenn Warnungen keine
Beachtung geschenkt wird, wirft die Luftwaffe vor einem Angriff zunächst
nicht-tödlichen Sprengstoff ab, um so davor zu warnen, dass der Angriff
unmittelbar bevorsteht.
Erst wenn Piloten und
Fliegerleitoffiziere sicher sind, dass keine Zivilisten vor Ort sind,
wird die Genehmigung für den Angriff gegeben. Wenn Piloten
lasergesteuerte Munition verwenden, müssen vorher sichere Gebiete
bestimmt werden, in die die Geschosse umgeleitet werden können, sollten
plötzlich Zivilisten am anvisierten Ziel erscheinen.
In den
letzten Tagen haben Piloten der IDF viele Missionen abgebrochen, weil
sich Zivilisten in der anvisierten Gegend aufhielten.
Wenn
408 getötete, 2.502 verletzte und 373.000 traumatisierte
palästinensische Kinder (Zahlen von haGalil selbst!) das Ergebnis "
umfassendster und intelligentester Massnahmen"
zum Schutz von Zivilisten ist, um die Raketen-Abschussrampen der Hamas,
sowie Tunnel zu zerstören, dann erscheint die Frage der oben zitierten
Journalistin in der Tat berechtigt, ob es sich um Inkompetenz der IDF
handelt, oder ob Zivilisten das tatsächliche Ziel der israelischen Armee
sind.
Die Bevölkerungszahl des
Gazastreifens beträgt rund 1,8 Millionen Menschen. Wenn die Hälfte davon
Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 16 und 60 Jahren sind,
bleiben etwa 900 000 Greise und Kinder. Wenn nur ein Drittel davon Alte
sind, dann gäbe es rund 600 000 minderjährige Kinder. Nach obigen
Opferzahlen wären also mehr als die Hälfte aller Kinder des
Gazastreifens durch die israelischen Angriffe traumatisiert.
Mir
scheint, der Verfasser des haGalil-Artikels ist mehr beeindruckt von
der Armee-HighTech als von den hohen Opferzahlen - es sind ja "nur"
Palästinenser. Verlassen sich Human Rights Watch und Teile der UNO auch
auf Angaben der Hamas, wenn von Völkermord und Kriegsverbrechen
gesprochen wird? Es gibt zahllose westliche Organisationen und Medien im
Gazastreifen, da ist man nicht auf die Angaben der Hamas angewiesen. Es
gab sogar junge Leute aus Skandinavien, die sich als "menschliche
Schutzschilde" zur Verfügung gestellt haben, auch die werden ihre
Eindrücke als Augenzeugen berichtet haben. Und woher hat haHaglil seine
anderen Zahlen? Allein von der israelischen Armee? Wer hat mehr
Interesse an passenden Zahlen, als die Täter selber?
Die
Bodentruppen haben äquivalente Handlungsweisen für ihre Einsätze,
obwohl es in der Beschaffenheit des Bodenkampfes liegt, dass dieser
schonungsloser und weniger technisch ausgereift ist. Gespräche mit
Infanteristen der IDF, die gerade aus den Kämpfen in Gaza zurückkommen,
bestätigen jedoch, dass die Vermeidung von zivilen Opfern an erster
Stelle steht, selbst wenn die Soldaten selbst unter Beschuss kommen.
Wie
erklärt man bei haGalil sich und uns die Tatsache, dass es trotz des
für israelische Soldaten relativ wenig gefährlichen Kampfeinsatzes im
Gazastreifen dennoch etliche Deserteure und ehemalige Armee-Angehörige
gibt, die den Kampfeinsatz im Gazastreifen nicht mehr mit ihrem Gewissen
vereinbaren können und von Kriegsverbrechen dort reden!?
Zurück
in der Sicherheit des Fernsehstudios verliert die Interviewerin
gegenüber dem Sprecher der IDF immer mehr an professioneller
Objektivität und zeigt stattdessen offen ihre Wut: „Sie reden ständig
über all die Warnhinweise, die Sie geben, doch Tatsache ist, dass Sie
eineinhalb Tausend Menschen getötet haben, die große Mehrheit von ihnen
Zivilisten!“
Natürlich wird dem Offizier
nicht gestattet, eine angemessene Antwort zu geben, die Zuschauern
helfen könnte, die reale Situation zu verstehen.
Das
zu Kritisierende wäre nicht die Emotionalität der Journalistin - sie
ist eben auch "nur" ein (informierter) Mensch und kein israelischer
Roboter oder Übermensch - und auch ihre Frage ist inhaltlich berechtigt,
aber selbstverständlich muss die Chance einer Antwort möglich sein.
HaGalil
redet ständig von der "realen Situation". Aber aus welchen Quellen
erstellt sich haGalil sein Bild, und warum soll dieses Bild realer sein,
als die Bilder der Gegenseite?
So
wurden im Juli 2014 laut einer Statistik der israelischen Streitkräfte
260 Raketen von Schulen abgefeuert, 127 von Friedhöfen, 160 von Moscheen
und anderen religiösen Einrichtungen, 50 von Krankenhäusern sowie 597
von sonstigen Bevölkerungszentren.
Zunächst
sollte man sich vielleicht mal klar machen, dass die Raketen
eigentlich nur von Dächern oder von Plätzen neben den genannten Gebäuden
abgeschossen werden können, nicht jedoch aus dem Keller oder von
sonstwo aus dem Gebäude. Also vom Minarett oder von der runden Kuppel
einer Moschee kann man keine Rakete abschiessen. Die Frage ist, ob die
Abschussrampen aus Metall und mobil sind, oder ob sie fest gemauert auf
dem Dach oder neben dem Gebäude stehen. Wenn mobile Abschuss-Rampen
benutzt werden, dann sind nicht die Gebäude das Problem oder das
"Terror-Nest", sondern die jeweiligen Abschussrampen. Aber wenn die
beweglich sind, dann müsste die israelische Armee die Rampen sofort nach
dem Raketenabschuss zerstören. Hingegen Bombardierungen von Gebäuden
Wochen nach mobilen Raketenabschüssen, erscheinen dann als böswilliger
Unsinn. Wenn die Rampen jedoch gemauert sind, egal ob auf freier Fläche
neben Gebäuden oder auf deren Dächern, dann erscheint es dennoch
überdimensioniert, mit Bomben solche Rampen zu zerstören, denn das ist
mit Kanonen auf Krokodile schiessen - zumal tausende unschuldige
Zivilisten dabei traumatisiert, schwer verletzt und getötet werden. Vor
dem Hintergrund, dass das israelische Raketen-Abwehrsystem erfolgreich
funktioniert, immerhin gab es trotz angeblich über tausend Hamas-Raketen
keinen einzigen oder nur einen oder zwei tote israelische Zivilisten -
also angesichts dieser Fakten erscheint die praktizierte Bombardierung
ganzer Strassenzüge und die Tötung tausender Zivilisten als völlig
Unverhältnismässig, was die Bezeichnungen Kriegsverbrechen und
versuchter Völkermord als berechtigt erscheinen lassen.
Zu den
Gebäuden und zu den Tunneln, durch die angeblich die Hamas Terroristen
auf israelisches Gebiet schleust und durch die Waffen transportiert
werden,
Wenn dann die Weltpresse, wie derzeit die New York Times,
das Foto eines getöteten Kindes zeigt, hat die Hamas gesiegt. Dass
Israels Regierung das Leben dieses Kindes schonen wollte, während die
Islamisten auf dessen Opferung förmlich hingearbeitet hatten, wird die
Öffentlichkeit kaum interessieren.
Die emotionale Wirkung eines
solchen Fotos beseitigt das Bedürfnis nach weiteren Fragen, zumal sie
mit dem Zerrbild vom jüdischen Kindermörder – ein im westlichen
Unterbewusstsein tief verankertes Vorurteil – bestens harmoniert.
Diese
Unterstellung ist wirklich infam, unverschämt und
demagogisch! Jene
Menschen, die sich heute interessieren und engagieren, sind jung und von
internationalen Medien sozialisiert, sie haben keine uralten
anti-jüdischen Stereotype im Kopf. Wer mit solchen falschen Feindbildern
argumentiert, wie der haGalil-Autor, der zeigt weder Respekt vor den
lesenden eigenen Leuten, die er offenbar für oberflächliche Idioten
hält, noch vor den Meinungsgegnern, die er offenbar für Arschlöcher
hält. Die Infamie des Artikelschreibers von haGalil offenbart, er hat
keine Argumente und greift darum in die Dreckskiste mit den
Totschlag-Pauschal-Floskeln, um die Gemüter der oberflächlichen eigenen
Leserklientel zu beruhigen. Nach dem Motto: Lasst euch von den Opfern im
Gazastreifen und dem globalen Mediengeschrei nicht beeindrucken - das
sind alles Judenfeinde oder leichtgläubige Trottel.
Tatsächlich
jedoch gibt es das Problem, dass wir alle unser Weltbild von Dritten
beziehen, wir empören und engagieren uns auf Grund von Informationen aus
unbekannter Hand.
Dadurch sind wir
manipulierbar. Das gilt für ALLE Seiten. Zum Glück gibt es dagegen die
öffentliche Diskussion mit Meinungs-Gegnern. Allerdings kann man sich
auch da nicht sicher sein, ob man es nicht mit gesteuerten
Agents-Provocateurs zu tun hat. Man müsste sich also immer an den
genannten Fakten orientieren und mitdenken.